1 Bezugsteuer

Im Grundsatz sind der Ort der Dienstleistung und der Ort der Besteuerung identisch. Folglich müssten alle ausländischen Dienstleistungserbringer, die im Inland Dienstleistungen nach Art. 8, Abs. 1 MWSTG erbringen sowie die Umsatzgrenze von CHF 100 000.– überschreiten, für MWST-Zwecke in der Schweiz registrieren. Um aber nicht alle ausländischen Dienstleistungserbringer für MWST-Zwecke registrieren zu müssen, besteht gemäss Art. 10 Abs. 2 Bst. b eine Steuerausnahme und ist in Art. 45 MWSTG die Bezugsteuer geregelt.

Art. 45 MWSTG: Bezugsteuerpflicht

Abs. 1: der Bezugsteuer unterliegen:

  1. Dienstleistungen von Unternehmen mit Sitz im Ausland, die nicht im Register der steuerpflichtigen Personen eingetragen sind, sofern sich der Ort der Leistung nach Artikel 8 Absatz 1 im Inland befindet;
  2. die Einfuhr von Datenträgern ohne Marktwert mit den darin enthaltenen Dienstleistungen und Rechten (Art. 52 Abs. 2);
  3. Lieferungen im Inland durch Unternehmen mit Sitz im Ausland, die nicht im Register der steuerpflichtigen Personen eingetragen sind, sofern diese Lieferungen nicht der Einfuhrsteuer unterliegen.

Abs. 2: Steuerpflichtig für Leistungen nach Absatz 1 ist deren Empfänger oder Empfängerin im Inland, sofern er oder sie:

  1. nach Artikel 10 steuerpflichtig ist; oder
  2. im Kalenderjahr für mehr als CHF 10 000.– solche Leistungen bezieht und er oder sie in den Fällen von Absatz 1 Buchstabe c vorgängig durch die zuständige Behörde schriftlich über die Bezugsteuerpflicht informiert wurde.

Empfänger solcher Leistungen müssen diese in ihrer MWST-Abrechnung unter Ziff. 380 bzw. Ziff. 381 deklarieren. Den entsprechend berechneten MWST-Betrag können sie im Rahmen ihres Vorsteuerabzuges (VA) in der gleichen Abrechnung in Ziff. 400 bzw. 405 wieder in Abzug bringen (i.d.R. ein Nullsummenspiel).

Unter dem MWSTG gültig ab 1. Januar 2010 ist die Anwendung auch auf Lieferungen (Art. 45, Abs. 1 Bst. b) sowie werkvertragliche Leistungen (Art. 45, Abs. 1 Bst. c) ausgeweitet worden, für welche im Rahmen der Geschäftsabwicklung keine Einfuhrsteuer geschuldet ist (vgl. Ziff. 4).

 

2 Dienstleistungsbezüge aus dem Ausland

2.1 Verlagerung der Steuerentrichtung

Die Steuerentrichtung im Rahmen der Bezugsteuer wird wie folgt auf den Leistungsempfänger verlagert:

Ist der ausländische Dienstleistungserbringer aus anderen Gründen bereits in der Schweiz für MWST-Zwecke registriert, dann muss er auch die von ihm an Schweizer Abnehmer erbrachte Dienstleistungen mit Schweizer MWST in Rechnung stellen (keine Bezugsteuer durch den Schweizer Abnehmer abzurechnen). Vgl. dazu Art. 45, Abs. 1 lit a MWSTG:

 

Hinweis

Auch Privatpersonen müssten ab CHF 10 000.– p. a. Dienstleistungsbezüge aus dem Ausland der ESTV, HA MWST, melden und die geschuldete MWST abliefern (erhalten dafür eine spezielle MWST-Nr. zugeteilt) Art. 45, Abs 2 lit b.

Ein Unternehmen mit Sitz im Ausland, das im Inland Telekommunikations- oder elektronische Dienstleistungen für mehr als CHF 100 000.– an nicht steuerpflichtige Empfänger und Empfängerinnen erbringt, hat sich im Register der MWST-Pflichtigen in der Schweiz registrieren zu lassen.

 

3 Datenträger ohne Marktwert

Werden Datenträger im Rahmen eines selbständigen Rechtsgeschäftes, d.h. unabhängig von der Lieferung eines weiteren Gegenstandes übergeben, und lässt sich bei der Einfuhr kein Marktwert feststellen, so wird der Wert des Datenträgers – einschliesslich der darin enthaltenen Dienstleistungen und Rechte – von der Bezugsteuer erfasst.

Massgebend ist dabei, dass der Datenträger zum Zeitpunkt der Einfuhr:

  • Nicht zu einem feststehenden Preis gekauft werden kann
  • Nicht zu einer einmaligen, feststehenden Lizenzgebühr vertragsmässig genutzt werden kann

Um solchen Datenträger handelt es sich zum Beispiel bei:

  • CD-Rom mit Computerprogrammen, die nur mit wiederkehrend zu zahlender Lizenzgebühr lizenzierbar sind
  • Pläne, Zeichnungen und Illustrationen von Architekten, Ingenieuren, Designern
  • Rechtsschriften von Anwälten
  • Gutachten / Bewertungen von Sachverständiger
  • Übersetzungen
  • Verbriefte Rechte und immaterielle Werte

Kein selbständiges Rechtsgeschäft liegt demgegenüber vor, wenn beispielsweise ein ausländischer Architekt dem Bauherrn nebst dem Bauplan auch das Bauwerk liefert.

 

4 Lieferungen, die nicht der Einfuhrsteuer unterliegen

Erbringt ein ausländisches Unternehmen Lieferungen in der Schweiz, unterliegen diese der Bezugsteuer, wenn

  • das ausländische Unternehmen nicht für MWST-Zwecke registriert ist;
  • diese Lieferungen nicht der Einfuhrsteuer unterliegen und
  • diese Lieferungen im Inland besteuert würden (es liegt keine von der Steuer ausgenommene oder befreite Lieferung vor).

Werden beispielsweise Reparaturarbeiten durch ein nicht steuerpflichtiges, ausländisches Unternehmen in der Schweiz erbracht, ohne dass Material oder Gegenstände in die Schweiz eingeführt werden, sondern im Inland zugekauft werden, ist der Wert der Reparaturarbeit (inkl. Gegenstände) durch den Kunden im Rahmen der Bezugsteuer zu deklarieren.

Obwohl es sich bei Elektrizität und Erdgas im Sinne der MWST zwar um Gegenstände handelt, fällt bei deren Lieferung in die Schweiz keine Einfuhrsteuer an. Die Lieferung von Elektrizität und Erdgas in Leitungen unterliegen dann der Bezugsteuer, wenn der Empfänger im MWST-Register eingetragen ist. Liefert folglich ein ausländisches Unternehmen für mehr als CHF 100 000.– Strom an private Haushalte oder nicht steuerpflichtige Personen, muss sich dieses für Zwecke der MWST in der Schweiz registrieren.

Aufgrund der Komplexität der Wirkungsweise der Bezugsteuer gibt es weiterhin spezielle Fälle, bei denen sich wohl erst in den kommenden Monaten/Jahren herauskristallisieren wird, welche Verwaltungspraxis die ESTV dazu entwickelt.

Es gilt die weitere Entwicklung in diesem Bereich laufend zu überprüfen.